Emmy-Noether-Universität Göttingen

Alle aktuelle Informationen zum Vorhaben der Umbenennung finden sich auf dieser Seite.

Das Studierendenparlament der Göttinger Universität spricht sich für eine Umbenennung dieser in
Emmy-Noether-Universität Göttingen
aus.

So beginnt der Text unseres Antrags für die kommende Sitzung des Studierendenparlaments. Es folgt ein knapper Satz dazu, dass der AStA beauftragt wird, einen entsprechenden Prozess in die Wege zu leiten und eine 1 1/2-seitige Begründung, warum die Universität Göttingen in Zukunft nicht mehr den Namen eines Monarchen aus dem 18., sondern den einer Mathematikerin aus dem 20. Jahrhundert tragen sollte. Wir könnten an dieser Stelle wiederholen, warum wir Emmy Noether für die perfekte Namenspatronin unserer Universität halten, verweisen dafür aber lieber auf den Antrag, den wir oben verlinkt haben.

Viel mehr soll es hier darum gehen, was dieser Antrag denn soll. Immerhin hält sich die Bedeutung eines Universitätsnamens im Alltag doch sehr in Grenzen. Gibt es denn keine drängenderen Probleme, die man bearbeiten sollte? Gerade in Corona-Zeiten gibt es da ja bekanntlich unzählige Probleme, zu denen wir uns überhaupt nicht geäußert haben.

Doch, natürlich gibt es die. Und das auch nicht nur in der Krise, sondern immer und zu jeder Zeit. Doch die Welt ist komplex. Wenn wir uns immer nur auf die akuten, vermeintlich drängenden Probleme konzentrieren, verlieren wir den Blick fürs Ganze. Und gerade in Krisenzeiten lohnt es sich, inne zu halten, einen Schritt zurück zu gehen und den Bick zu weiten.

Was bedeutet ein Universitätsname?

Fangen wir also am Anfang an. Was hat eigentlich dieser „Georg August“ mit der Universität Göttingen zu tun? Nicht viel, außer dass dieser vor knapp 300 Jahren Jahren das Geld und eben seinen Namen gegeben hat, um in dieser Stadt eine Universität zu gründen. Selbst auf die anfängliche inhaltliche Ausrichtung hatte er kaum Einfluss, da er dies seinem Minister Münchhausen überließ. Der Name der Universität ist ausschließlich ein Denkmal für die einstmalige Größe und Generösität des entsprechenden Königshauses.

Übrigens ist es so mit vielen Universitäten in Deutschland: In Städten wie Heidelberg, München oder Würzburg tragen die Universitäten wie in Göttingen die Namen der Monarchen, die sie einst gegründet hatten. Nur in wenigen Städten, wie etwa Gießen oder Berlin wurden die Namen großen Gelehrten gewidmet (in diesen Fällen dem Chemiker Justus Liebig und den Gebrüdern Humboldt). Der Grund für diese Umwidmungen waren meist disruptive Veränderungen wie eine faktische Neugründung nach dem zweiten Weltkrieg (Gießen) oder eine ideologische Abkehr vom alten Namensgeber (Berlin). Die meisten Universitäten in Deutschland sind jedoch gar nicht benannt und heißen einfach nur nach ihrer Stadt. Letzteres ist die vermutlich zeitloseste und aus ideologischen Gesichtspunkten ungefährlichste Variante.

Umbenennungen gab es immer

Universitätsumbenennungen finden auch in jüngerer Zeit statt. Ein prominentes Beispiel ist die Universität Greifswald, die 1933 nach dem Dichter Ernst Moritz Arndt benannt wurde und ihren Namen auch nach dem zweiten Weltkrieg weiter behalten hat. Erst nach Protesten und langen Diskussionen entschied man sich im Jahr 2018 schließlich dafür, den Namen aufgrund seines Antisemitismus abzulegen. Man entschied sich für die oben erwähnte „ungefährliche“ Variante einer schnöden Benennung nach der eigenen Stadt.

Doch es geht auch anders herum. Im November 2005 sprach sich der StuRa der damals noch als „Universität Hannover“ bekannten Universität für eine Benennung nach Theodor Lessing, einem der ersten bekannten Todesopfer des Nationalsozialismus, aus. Die Studierendenschaft lehnte in einer Urabstimung diesen Namen ab, eine Diskussion um den Namen war aber entfacht. Schlussendlich wurde die Universität – auch nach einigen tiefgreifenden Veränderungen in der Universitätsstruktur – nach dem Hannoveraner Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz benannt.

Namen – Mehr als Schall und Rauch?

Was also bedeutet der Name einer Universität nun? Im simpelsten Fall ist der Name einer Universität einfach nur eine Ehrung der*s Namensgebers*in (zummindest in Deutschland bräuhte es den Gender-Stern an dieser Stelle gar nicht, da es bei Universitäten bisher ur Namensgeber gibt – ein Umstand, der mit unserem Antrag geändert würde). So ist es bei allen Universitäten, die nach Monarchen benannt sind.
Ein Name steht jedoch immer auch für eine gewisse Identifikation. Diese Funktion ist sogar dann erreicht, wenn die Universität einfach nur den Namen der Stadt trägt, in der sie beheimatet ist.

Im besten Fall jedoch steht der Name für bestimmte Ideale, die mit dem Namen verbunden sind. Dies gilt umso mehr, wenn sich die Universität nach ausführlicher interner Diskussion selbst den Namen gibt und mit der Umbenennung eine Diskussion um das eigene Narrativ und die Strategie verbindet.

Letzteres muss natürlich auch mit der nun in Göttingen anvisierten Umbenennung einher gehen. Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse in der Exzellenzstrategie vor inzwischen fast zwei Jahren hatten wir strukturelle Konsequenzen und einen breiten Dialog mit allen Statusgruppen zur künftigen Ausrichtung und Strategie der Universität gefordert. Ein solcher breiter universitätsweiter Diskurs blieb bisher aus, stattdessen versank die Universität rund um die Diskussion um den Kandidaten für die Leitung der Universtät im Chaos.

Ein Diskussionsanstoß

Dis Diskussion um die Zukunft der Universität wird seitdem vertagt, weil man erst die Entscheidung über die neue Universitätsleitung abwarten möchte. Doch ist das wirklich so sinnvoll? Viel mehr ist schon wertvolle Zeit verstrichen, die man hätte nutzen können, um Beteiligungsformate zu verschiedenen Themen zu etablieren. Freilich: in den vergangenen drei Monaten war die Universität mit anderen Dingen beschäftigt, man musste im Schnelldurchlauf alle Versäumnisse der vergangenen ca. 30 Jahre wettmachen, was Digitalisierung in Forschung und Lehre angeht.

Doch was nicht war, kann ja noch werden. Mit diesem Vorschlag möchten wir die Universität aus ihrem Dornröschenschlaf aufwecken. Wir möchten eine Diskussion entfachen über die Werte und Ziele, die diese Universität verfolgt. Damit meinen wir nicht, dass gleich das Leitbild der Universtät über Bord geworfen werden soll, das gerade einmal 14 Jahre jung ist und durch das erst zwei Jahre alte „Leitbild Lehren und Lernen“ ergänzt wird. Aber es gibt sicherlich einige Dinge, die eine Universität anders machen würde, wenn sie im Jahr 2020 nochmal von vorne anfangen würde. Gerade aus der derzeitigen Krise lernen wir, dass sich scheinbar festgefahrene Strukturen ändern lassen, wenn man denn nur einen Anlass hat. Einen solchen Anlass möchten wir geben.

Das liebe Geld

Und selbstverständich ist uns bewusst, dass an zahlreichen Ecken und Enden das nötige Geld fehlt. Gerade die Infrastruktur, die in vielen Bereichen massiven Modernisierungsbedarf hat, ist chronisch unterfinanziert. Wenn Geld ausgegeben werden muss, gibt es zahlreiche Dinge, die gemacht werden müssten, bevor irgendwelche Schilder ausgetauscht werden. Und natürlich wäre es damit nicht getan. Das Logo bräuchte ein Redesign, bei der Gelegenheit könnte auch das ganze Corporate Design der Uni ein Update bekommen. All dies kommt nicht umsonst, es kostet Zeit und damit eben auch Geld.

Jedoch ist das Kostenargument als vermeintliches Totschlagsargument häufig lediglich vorgeschoben. Es verhindert eine ernsthafte Debatte darüber, wer wir als Universität sein wollen, wo wir hin wollen und wie wir uns in der Welt präsentieren wollen. Das Kostenargument wird vor allem aus einem Grund herangeführt: Bequemlicheit. Wenn die möglicherweise unbequeme Debatte um diesen fundamentalen Wechsel direkt unterbunden wird mit dem Argument, dass ein mögliches Ergebnis sowieso nicht umgesetzt werden könnte, zeugt dies von einer geistigen Unbeweglichkeit, die man leider nur zu oft an den Universitäten beobachtet.

Eine Entscheidung für Jahrhunderte

Die Umbenennung einer Universität ist eine Entscheidung, die auf gar keinen Fall leichtfertig getroffen werden sollte. Man muss sich bewusst sein, dass es potentiell eine Entscheidung für Jahrhunderte sein könnte. Aus diesem Grund sind wir auch für eine breite Diskussion innerhalb der Universität, die auch nicht nur über den Namen geführt werden sollte. Wir stehen hier am Anfang eines möglicherweise langwierigen Prozesses, wenngleich er hoffentlich nicht die ca. 20 Jahre dauern wird, die es in Düsseldorf oder Oldenburg gedauert hat, bevor die dortigen Universitäten schlussendlich zu ihren heutigen Namen kamen.

Doch jeder noch so lange Weg beginnt irgendwann mit dem ersten Schritt. Und vielleicht ist unser Antrag eben dieser. Vielleicht ist es auch nur ein Schritt in einen Holzweg. Wir werden es nur erfahren, wenn wir den Weg auch tatsächlich gehen.